Das ehemalige Colonat Nummer 24 im Wehmgarten
Frömmigkeit aus wahrem Glauben geboren
Die geschichtliche Entwicklung des „Bürgerhauses am Markt” in
Hohenhausen
von Walter Otto
Henrich Mandelsen war von 1573 bis 1612/13 Pastor an der St.Pauli Kirche
zu Hohenhausen. Graf Hermann Simon zur Lippe-Spiegelberg und Pyrmont verlangte
am 3.Octobris 1573 auf nächstfolgenden Sonntag in acht Tagen, daß seines
Sohnes Schulmeister, Hinricus Mandelsen, zum Pfarramt ordiniert würde. Um
1586 schrieb dieser Mandelsen an Paul Lehmann in Detmold, er habe die ihm
zugesandten 50 Taler im Namen Simons an die Armen des Kirchspiels in
Hohenhausen verteilt:
„Ich war letztmal in
Rom, und hätte so gerne den Bapst gesehen und durfte darnicht um Ansuchung
tun. Wenn ich noch einmal komme, wird er mir nicht entfluven, denn ich hätte
ihn gern unlängst gesehen. Der Herr behüde seinen eingang und ausgang von
nun an bis zu ewigen zeiten. Amen.”
Im Jahre 1595 machte
Pastor Mandelsen Anzeige, daß im Orte viel Zaubereien vorgingen. Im selben
Jahr schenkte Simon VI. 500 Taler an den Predigtstuhl. Bei der Visitation am
13.August 1606 machte er nochmals eine Anzeige:
„Die zu Hohenhausen haben
eine abergleubische Weise, daß sie am Tage Johannis (24.Juni)Stöcker stechen
auf das Land, daß der meldalv (Maulwurf?) Und ander unrath werd abgeweret...”.
Für Pfarrwitwen war in
früheren Jahrhunderten auf dem Lohacker, das Witwenstück genannt, vorhanden.
Während der Amtszeit des Pastors Severin um 1571 schenkte Thonies Strote in
Westrupp (Westorf Nr.3) dieses Stück Land an den Predigtstuhl. Auch Pastor
Severin wollte für seine Frau ein Haus bauen!
Pfarrer Henrich
Mandelsen war ein guter Bekannter des Grafen Simon VI.. mit dessen Hilfe baute
er im Wehmgarten sein eigenes von allen oneribus freie Haus.
Er hatte für eine gewisse Summe Geldes aus gemeiner Bauerweide auf den
Stücken im Hohenhauser Bruch einen Ort Rottlandes erworben. Neben dem
Weideland so des Teufelswinkel genannt.
In dem Verzeichnis
und Register des bewilligten Landschatzes vom 4. August anno 1589 und des
eingenommenen Landschatzes vom 13. Januarii 1590 wird auch der „Pastor zue
Hoddenhusen” aufgeführt: ½ Ort - nachgelassen 5 Groschen.
Der Landschatz ist
ein Vorläufer unserer heutigen Grundsteuer. Die Landschatzregister des 15.
und 16.Jahrhundert enthalten die Namen aller Höfe und Grundbesitzer, die zu
dieser Grundsteuer herangezogen wurden. Währung um 1590: 1 Ort = 10 Groschen.
Mandelsen ist nun nach Nachlassen des Landschatzes vom 13.01.1590 von dem
Amtmann des Amtes Detmold, Paul Lehmann, als schatzfrei eingestuft worden. Der
Amtmann Paul Lehmann soll die Funktionen der zentralen Kassenverwaltung für
den Landschatz wahrgenommen haben. Die Bestätigung des Freibriefes an
Mandelsen durch den Grafen Simon VI. erfolgte erst ein halbes Jahr später am
21.Juli 1590. Die Baugenehmigung war dem Pastor schon im Juni 1589 erteilt
worden. Graf Simon VI. genehmigt den Tausch in diesem Consensbrief:
„Ein Stück
Rottland, der Teufelswinkel (heute Langer Acker/Bruchkamp) genannt gegen 2/3
des Wehmgartens der von Gänsen und Hühnern viel beschädigt und angefochten
wurde...”.
NATURALIS AMOR SOBOLIS PIETASQUE IUGALIS HANC ME MOVERUNT AEDIFICARE
CASAM. INCOLAT USQUE FIDES ILLAM PIETASQUE TIMORQUE IOVAE ET FRATERNUS CANDOR
AMORQUE BONI, 1589
HENRICUS MANDELSEN PASTOR INDIGNUS. M.(eister)H. GRABBE (Dieser
letzte Satz ist leider nicht mehr vorhanden!!)
In freier Übersetzung
nach Pastor Paul Ruperti 1917: Liebe zum eigenen Sproß der Gattensorge
gesellet. Hieß dies bescheidene Haus mich erbauen allhier. Frömmigkeit hause
darin, aus wahren Glauben geboren, furcht vor Jehova dazu, Brudersinn, edler
Mut. 1589, Heinrich Mandelsen, von Gottes Gnaden Pastor. M.(eister) H.Grabbe
(aus Pillenbruch Vogtei Hohenhausen).
Das
Bürgerhaus ist neben der
Kirche das ältestes Gebäude des Ortes Hohenhausen, ein typischer Vierständerbau
der Spätrenaissance mit 8 breiten Gebinden und Kopfbogenaussteifung,
Giebelauskragungen auf Taubandknaggen.
Es ist nicht fraglich, ob
Mandelsen das freie Haus als seine Amtswohnung benutzt hat. Sein Amtswohnung war
die Wehme (die heutige Pfarre) in Hohenhausen auf dem Pfarrhof, also nicht in
seinem Haus im Wehmgarten. Nach dem Tod des Pastors Mandelsen im Jahr 1612/13 übernahm
seine Witwe das freie Haus im Wehmgarten. Gemeinsam mit ihren zwei Töchtern,
Gretke und Catrina, bewohnten sie „sothanes geringes Haus, wobei kein
Garten, Acker oder ichtswas gar ungleich war”.
Nur ein Stück Land auf dem Lohacker so an die Kirche zu Hohenhausen gehöret
konnte sie gebrauchen.
Die
hinterbliebene Witwe aber wegen ihrer Schulden „Beschwer”, 100 rth
(Reichstaler) mußte sie jährlich an die Kirche daselbst bezahlen und
verzinsen, war sie gezwungen „sothanes geringe Haus” zu verkaufen. Am
22.Juli 1622 bestätigt Graf Simon VI. den Verkauf dieses Hauses an Hanß Meyer
Cort in Mordhunserhagen mit der Freiheit für 500 Taler und unbeschwert. Also
„oneribus frey” für Borgfestdienst, Landschatz oder Contribution usw.
Abgaben müssen von diesem Colonat selbstverständlich auch entrichtet werden.
Es handelt sich um Abgaben, die jeder entrichten mußte, ob Leibzüchter oder
Einlieger. Die Heberegister waren Türkensteuer, Subsidiengelder, Soldatengelder
und sonstige Steuern. Der Fiskus war schon immer erfindungsreich, um an Geld zu
komme.
Einzugehen ist hier
noch auf die verschiedenen Bauern-und Besitzerklassen des17.bis19.Jahrhunderts.
Sie sind Ausdruck einer sozialen Einstufung und Wertung. Das Colonat Meiercord
(9 Generationen von 1622 bis 1886, in Familienbesitz bis 1920!) gehörte zur
semiagrarischen Bauernklasse der Kleinkötter. Es handelt sich hier auf der
sozialen Stufenleiter gering bewertete Stätte. Schätzwert der Besitzung 20-50
Taler, ein Vollmeier 200 - 600 Taler. Die Ländereien der Meiercords liegen weit
außerhalb der Wohnstatt. Einen Kamp am Hohenhauser Bruch, unter dem Santelberg,
das Witwenstück und Stücke auf dem Lau (Loh). Je nach Beschaffenheit des
Colonats durften nur zwei Kühe und ein Schwein gehalten werden. Leibzucht und
Vieh unter einem Dach. Nur die vollbäuerliche Schicht verfügt über
geschlossene Besitzareale und getrennte Wohn- und Leibzuchtstätten. Laut
Landes-Verordnung vom 13.Mai 1766 wird dem Colonat Meiercord die Hausnummer 24
erteilt.
Der Stättebesitzer Schmiedemeister Heinrich Führung aus Kalldorf,
verheiratet mit Henriette Meierkord, hat am 24.November 1905 alle
grundherrlichen Bindungen abgestreift. Grund und Boden ist jetzt Eigentum, der
und seine Vorbesitzer ihn einst nach Meierstattsrecht bewirtschafteten. Am
27.Dezember 1808 wurde unter der Fürstin Pauline die „Verordnung, die
Aufhebung des Leib- und Guts-Eigentums betreffend” erlassen. Bisherige Abgaben
in Geld oder Naturalien sollen in Geld abgelöst werden.
Diese Stätte ist
urkundlich seit dem 4.August 1589 belegt. Namen der in Frage kommenden Besitzer
sind bekannt:
1589 Pastor Mandelsen,
1615 Pastorsche (Witwe Mandelsen), 1622 Hanß Meyer Cort,1650 Hanß
Meyer Cordt, 1689 Johann Hinrich Meyercuordt, 1721 Hans Meyer
Cord,1754 Hans Hermann Meyercordt, 1770 Hanß Meyer Cordt, 1834
Johann Friedrich Adolph Meiercordt, Vorsteher im Amtsgemeinderat 1851. 1861
Simon Henrich Meiercord. Der Leibzüchter Friedrich Meierkord wanderte 1873 nach
Bayter, Jasper County, IOWA, U.S.A. aus.
1871 Meierkord Erben:
Heinrich 8 Jahre, Henriette 7 Jahre, Wilhelmine 3 Jahre. Am 06.06.1873 wird eine
Fläche zur Anlegung einer Kegelbahn an Berke oder H.Böke Nr.35 verkauft. 1886,
27.Juli Schmied Heinrich Führing aus Kalldorf Nr.44.
Führing verkauft am 3.April 1913 eine Parzelle an den Barbier Sasse. 1919,
30 Mai Witwe Henriette Führing geb.Meierkord. 1920, 16.Februar
Heinrich Timmering (Kaufmann). 1939, 10.Februar Witwe Auguste
Timmering geb. Böke. 1966, 23. März Auguste Friedrich geb. Timmering. 1981,
26.November Gemeinde Kalletal. 1982, Eintragung in die Denkmalliste. 1985/86,
Umbau des Gebäudes zum Bürgerhaus am Markt.
Quellenangabe: Staatsarchiv Detmold, L 25 Nr.144, L 65 Nr.105, L65 Nr.206, L 92 Z II a Nr.24, L 92 Z Iic, L 101 CI Amt Varenholz Nr.15, Nr.18 und Nr.52; L 108 Ortsakten Hohenhausen. Amtsgericht Lemgo: Grundbuch von Hohenhausen Bd.4 Bl.74.
Gedruckte Quellen: Lippischer Dorfkalender 1917, „An den rauschenden Wassern der Kalle” R.(Ruperti)