„Hier ist nichts zu suchen außer etwa einigen Mahlsäcken...“

Bavenhausen ein Dorf mit Wahrzeichen – 150 Jahre Windmühle

 

Des Dorfes Windberg, sein Wahrzeichen, seine landschaftliche Kennmarke. Weiß getüncht ist der Stumpf, die dunkle Haube verwittert. Gelegen in der landschaftlichen Mitte zwischen Herberg und Teimer. Zu Füßen der Windmühle das Dorf der Linden, der Haus-und Hofbäume. Vier Generationen der Freitags  „möllerten“ hier oben auf dem „Obennacken“, heute Windberg genannt.

Die Kappe des Windberges erhebt sich zu einer stolzen Höhe von 300,8 m, bestehend aus harten Rätquarziten. Allerdings von so winzigem Ausmaß ist das Rät, daß gerade noch die Windmühle und ihr Hofraum darauf Platz finden. Die holländische Windmühle mit zwei Grindeln wurde 1853 aus Buntsandstein erbaut, der unmittelbar am Fuße des Windberges ansteht. Im November 1853 wurde sie in Betrieb genommen. Eine lange Zeit, immerhin beinahe 100 Jahre, mahlten dort die Windmüller Graupen, Brot- und Futtergetreide  für Bavenhausen, Henstorf, Niedermeien und Orte im Nahbereich. Für die Mühlengerechtsame (Konzession) mußte der Erbauer,Wilhelm(I)Freitag, 50 Taler jährlich der fürstlichen Rentkammer in Detmold entrichten. Das Recht, Mühlen zu betreiben, war landesherrliches Regal. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit im Jahr 1869, fielen die rechtlichen Beschränkungen des Mühlenbetriebes weg. Zum Bespiel: Erlaubnis zur Umwandlung des einen Mahlganges in einen Weizengang oder Einteilung der Bauernschaften in Mahlbezirke.  Die Windmühle auf dem Windberg wurde nun endgültig zum Gewerbebetrieb.

Besondere Schwierigkeiten hatten die Windmüller Freitag im ausgehenden 19. Jahrhundert -  Ausbau des Kommunalweges nach Niedermeien. In einem Beschwerdebrief der Bavenhauser ist zu lesen:

(...) Der Geschäftsverkehr weist die Bavenhauser nach Lemgo, Hohenhausen, Rinteln, Vlotho und zu den größeren Eisenbahn- und Schiffahrtsstraßen, nicht aber den Berg hinan nach Niedermein. Hier ist nichts zu suchen außer etwa einigen Mahlsäcken für den Vorsteher  und Windmüller FREITAG (...)

 Vorsteher (heute Bürgermeister) Wilhelm(II)Freitag antwortet: (...) Daß der Ausbau des Kommunalweges nach Niedermein nur mir allein als Besitzer

der Bavenhauser Windmühle Nutzen bringen soll, kann ich nicht begreifen; da doch die Bauernschaft Henstorf nirgends ihre Mahlbedürfnisse bequemer befriedigen kann und die Lüdenhauser Windmühle außer Betrieb ist, die Huxoler Mühle längste Zeit im Jahre an Wassermangel leidet, sind dieselben, wenn sie nicht die weiten Wege nach dem Begatale oder dem Kalletale zu den dortigen Mühlen machen wollen, auf die Bavenhauser Windmühle angewiesen sind (...).

 In der Familienchronik der Freitags am Schlingberg Nr.5 (vormals Bavenhausen Nr.17) ist weiter zu lesen: (...) der Amtszimmermeister Friedrich Wilhelm (I) FREITAG (1814-1878) baute die Kirche in Lüdenhausen und die Windmühle auf dem Obennacken im Jahr 1853. Er soll ein äußerst begabter und tüchtiger Zimmermeister gewesen sein, denn die Herstellung der Räder und Wellen in der Mühle, die mit geringen Ausnahmen aus Holz hergestellt waren, erforderten große Kenntniß und Berechnungen der verschiedenen Umdrehungszahlen.

Sein ältester Sohn, Friedrich Wilhelm (II) FREITAG (1840-1925), war als Lehrling in der Bockwindmühle in Goldbeck, die man vom Windberg aus sehen konnte und noch im Jahr 1918 bestand. Um 1866 übernahm er Hof und Windmühle. Körperlich hochgewachsen und außerdem sehr gesund und zäh, machten ihm die Witterungsverhältnisse auf dem Windberg nichts aus bis in sein hohes Alter. Im Lippischen Norden war er bekannt und genoß überall als rechtdenkender Mensch außerordentliches Ansehen, der nie mit seiner Meinung gegenüber Behörden und seinen Mitmenschen zurückhiehlt (...).

 Zwei Weltkriege überlebten die Windmüller und Landwirte: Wilhelm (III) FREITAG (1875-1955) und  Wilhelm (IV) FREITAG (1904-1976). 

 In den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts bekam die Windmühle eine Windrose auf die drehbare Kappe gesetzt und im Innern einen „Aspirateur” zum Vorreinigen des Getreides. Um 1910 baute man als zusätzliche Antriebskraft für die Mahlgänge einen Motor mit Verdampfungskühlung ein. Ein drei Meter tiefer Brunnen, der im Keller der Mühle sich befand, versorgte den „Naphta(len)motor” mit Kühlwasser.

Später wurde ein Glühkopfmotor angeschafft. Diese zusätzliche Antriebskraft, eingesetzt bei Flaute,wurde mit einem Gemisch von Altöl und Benzin betrieben. Nach der Stillegung des Mühlenbetriebes, 1948, baute der letzte Müller  die besegelten Jalousieflügel und die Windrose ab. Nur der Achskopf war zu sehen - die Zierde der Mühle war nun „wech”.

1954 kaufte die Gemeinde Bavenhausen die Mühle mit Platz,  richtete ein Wasserwerk in dem ausgedienten Gemäuer ein und versorgte von dort aus auch die Ortsteile Leuchte, Wasserfurche, Waterloo und Rentorf. Flügel und Haube sind Attrappen, die bei starken Stürmen, zuletzt im Oktober des Jahres 2002, oftmals in ungewollte Drehungen und Verbeugungen versetzt werden. Zweimal, 1892  und 1931  schlug der Blitz  das Gangwerk kurz und klein. Drei Jahre später wurde sie nochmals von einem Blitzschlag getroffen und äußerlich nur leicht beschädigt. Schon damals, 1934, war der zeitige Windmüller überzeugt: „Met de Windmölleroije es et olle.”

 Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Prophezeiung aus dem Jahr 1934 verwirklicht. Auch den Müller Freitag traf das Los so vieler Mühlenbesitzer: Der Verdienst reichte nicht aus, den Existenzkampf zu bestehen. Nur wenige vollmechanische Großmühlen mit einem weiten Einzugsbereich sind übriggeblieben. Daß die Windmühle in den 50er Jahren zu neuen Ehren gekommen ist - ohne ihre frühere Funktion - verdankt sie dem Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden”.

 Aufwendige Reparaturarbeiten waren notwendig, um äußerlich die Windmühle als „Denkmal” wiederherzurichten. Als Krönung bekam sie vom Kreis Lemgo eine Antennenanlage auf die Kappe gesetzt. Ein baldiges Aus für den Funkverkehr war vorprogrammiert - „Vom Blitz getroffen!”

Besonders für die Piloten der Tiefflieger ist die weiß getünchte „Windmühle” ein Orientierungspunkt am Horizont, so ein Offizier der Bundesluftwaffe! Auch für Natur- und Heimatfreunde ist es eine Lust auf das Windbergplateau zur Besichtigung des Baudenkmals aufzusteigen. Das vorgenannte Bauwerk wurde 1939 als Baudenkmal dem Schutz des Lippischen Heimatschutzgesetzes unterstellt. Seit 1969/70 der gemeindlichen Neugliederung ist die Windmühle von Bavenhausen, die 1968 mit privaten Spenden und öffentlichen Mitteln wieder Flügel erhielt und seither ein liebgewordenes Wahrzeichen ist,  im Besitz der Gemeinde Kalletal. (woh)